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Das Konzept der Wesentlichkeit
Das Konzept der Wesentlichkeit bzw. der Wesentlichkeitsgrenzen ist adressatenorientiert. Rechnungslegungsinformationen sind als wesentlich anzusehen, wenn vernünftigerweise zu erwarten ist, dass ihre falsche Darstellung (einschließlich ihres Weglassens) im Einzelnen oder insgesamt die auf Basis der Rechnungslegung getroffenen wirtschaftlichen Entscheidungen der Rechnungslegungsadressaten beeinflusst. Bei der Wesentlichkeit handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz, der sowohl in der Rechnungslegung als auch in der Abschlussprüfung zu beachten ist.
Unabhängig von der Anwendung des Wesentlichkeitskonzepts sind die gesetzlichen Vertreter dafür verantwortlich, dass
alle buchungs- und angabepflichtigen Sachverhalte vollständig und richtig erfasst werden und dass sie ihren weiteren Pflichten nachkommen. (Aussagen)
In der Abschlussprüfung besagt das Konzept der Wesentlichkeit, dass die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts bzw. des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts darauf auszurichten ist, mit hinreichender Sicherheit falsche Angaben aufzudecken, die wegen ihrer Größenordnung oder Bedeutung einen Einfluss auf den Aussagewert der Rechnungslegung für die Rechnungslegungsadressaten haben.
Das Konzept der Wesentlichkeit ist bei der Planung und Durchführung von Abschlussprüfungen zu beachten, damit dem Abschlussprüfer mit hinreichender Sicherheit die Beurteilung ermöglicht wird, ob die Rechnungslegung in allen wesentlichen Belangen in Übereinstimmung mit den anzuwendenden Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellt wurde. Durch die Berücksichtigung des Konzepts der Wesentlichkeit
in der Abschlussprüfung erfolgt eine Konzentration auf entscheidungserhebliche Sachverhalte.
Die Wesentlichkeit kann sich sowohl quantitativ in einem Grenzwert als auch qualitativ in einer Eigenschaft ausdrücken, der/die geeignet ist, das Entscheidungsverhalten der Rechnungslegungsadressaten zu beeinflussen.
Wesentlichkeit und Prüfungsrisiko
Wesentlichkeit und Prüfungsrisiko stehen in einem wechselseitigen Zusammenhang: Je höher die Wesentlichkeit festgelegt wird, umso geringer ist das Prüfungsrisiko und umgekehrt. Bei der Planung von Art, Zeitpunkt und Umfang von Prüfungshandlungen ist dieser wechselseitige Zusammenhang zwischen Wesentlichkeit und Prüfungsrisiko vom Abschlussprüfer zu berücksichtigen. Wenn der Abschlussprüfer zu dem Schluss kommt, dass die Wesentlichkeit niedriger ist als ursprünglich festgelegt, steigt das Prüfungsrisiko.
Wie errechnen sich die Wesentlichkeitsgrenzen?
Von welchen Bezugsgrößen wird ausgegangen?
Je nach Abschlussadressaten wählt der Wirtschaftsprüfer zwischen verschiedenen Bemessungsgrundlagen. Dies können beispielsweise sein (geordnet nach Priorität):
- Umsatzerlöse
- Gewinn vor Steuern
- Bilanzsumme
- Summe der Aufwendungen
- Eigenkapital
- Gewinn aus laufender Geschäftstätigkeit
- Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit
Welche Prozentsätze sind bei welcher Bezugsgröße zu wählen?
Die Höhe der auf die Bezugsgröße anzuwendenden Prozentsätze hängt von der Art der jeweils gewählten Größe ab: Der Prozentsatz, der auf eine Nettogröße, wie z.B. den Gewinn vor Steuern, angewendet wird, ist normalerweise höher als der Prozentsatz, der auf Bruttogrößen wie Umsatzerlöse, angewendet wird.
Berechnung der abschlussbezogenen Wesentlichkeitsgrenze
Die Prüfungsstandards selbst geben keine Prozentsätze vor. In der Praxis werden folgende Sätze für die Berechnung der abschlussbezogenen Wesentlichkeitsgrenze verwandt:
Bilanzsumme: 0,25 – 4 %
Umsatzerlöse: 0,5 – 3 %
Gewinn vor Steuern: 3 – 10 %
Sowohl bei der Auswahl der Bezugsgröße als auch bei der Festlegung des angewandten Prozentsatzes sind qualitative Faktoren zu berücksichtigen. Je höher das Risiko, desto geringer sollten die Prozentsätze ausfallen, da so der Prüfungsumfang aufgrund der geringeren Grenzen steigt.
Berechnung der postenbezogenen Wesentlichkeitsgrenze – Toleranzwesentlichkeit
Die Toleranzwesentlichkeit dient der Risikobeurteilung sowie der Festlegung von Art, Zeitpunkt und Umfang der Prüfungshandlungen als Reaktion auf diese Risiken. Sie wird unterhalb der Wesentlichkeit für den Abschluss als Ganzes festgelegt, um die Wahrscheinlichkeit auf ein angemessen niedriges Maß zu reduzieren, dass die Summe aus den nicht korrigierten und den nicht aufgedeckten falschen Angaben die Wesentlichkeit für den Abschluss als Ganzes überschreitet.
Hierzu wird ein Prozensatz auf die Wesentlichkeit für den Abschluss als Ganzes angewandt. Als Orientierungshilfe für die Ermessensentscheidung des Prüfers sind folgende Werte in der Praxis anzutreffen:
- Bandbreiten von möglichen Prozentsätzen 70 – 80 % bzw. 70 – 90 % bzw. 50 – 80 %
- Obergrenzen oder Referenzwerte 75 %
Berechnung der Nichtaufgriffsgrenze
Die Nichtaufgriffsgrenze kann auf Höhe des Betrags festgelegt werden, unterhalb dessen von einer zweifelsfreien Unbeachtlichkeit einzelner Fehler ausgegangen werden kann. Prüfungsdifferenzen unterhalb der Nichtaufgriffsgrenze müssen nicht in die Zusammenstellung nicht korrigierter Prüfungsdifferenzen aufgenommen werden.
In der Praxis findet sich oft eine Bandbreite von Prozentsätzen innerhalb 3 – 5 % der Wesentlichkeit für den Abschluss als Ganzes.
Die Wesentlichkeitsgrenzen sind je nach Prüfungsfeststellungen während der Prüfung anzupassen.
Doch welche Grenze wird jetzt genau für welche Art von Unternehmen idealerweise verwendet?
Dies kann man recht leicht beantworten: es hängt davon ab, es hängt insbesondere von dem speziellen Fokus ab, den der Bilanzleser hat und es hängt auch von der Schwankung der Größe über die Jahre ab.
Welche Bereiche einer Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung sind besonders für den Bilanzleser besonders interessant? Diese gilt es zu identifizieren und dann zu analysieren, ob diese Berechnungsgrundlage auch über die Jahre möglichst wenigen Schwankungen unterworfen ist. Bei hohen Schwankungen unterliegen die Wesentlichkeitsgrenzen natürlich auch entsprechenden Schwankungen und dies würde zu einer fehlenden Vergleichbarkeit der Abschlüsse über die Jahre führen. In einem Jahr würde bei geringer Bemessungsgrundlage eine geringe Wesentlichkeit errechnet und weniger geprüft werden, in progressiven Jahren würden die Prüfungshandlungen spärlicher ausfallen.
Beispiele:
- Bei Immobilienunternehmen oder Fondsgesellschaften ist der Fokus oftmals auf der Bilanzsumme, dh. welchen Wert haben die Immobilien oder Assets und wie verändern diese sich im Zeitablauf. Hier wäre aus unserer Sicht die Bilanzsumme der richtige Ansatz
- Bei produktiven Unternehmen, bei denen die Beurteilung von stakeholdern sehr auf die Umsatzgröße und den Deckungsbeitrag fokussiert wäre zum Beispiel eher die Umsatzgröße eine geeignete Wahl
- Bei Unternehmen mit recht konstantem Jahresüberschuss und starkem Fokus der Gesellschafterversammlung auf die jährliche Ausschüttung würde zum Beispiel eher die Größe Jahresüberschuss oder EBIT bzw. EBITDA gewählt werden.
Wie zu sehen ist, ist die Wahl der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Wesentlichkeitsgrenzen sehr gut zu überlegen, da in einem späteren Haftungsfall insbesondere die Berechnung der Wesentlichkeitsgrenzen im Fokus ist.
Über unser kostenloses Excel-Berechnungstool zum download können Sie recht leicht die Wesentlichkeitsgrenzen berechnen.
kostenlose-Berechnung-der-Wesentlichkeitsgrenzen-für-die-Abschlussprüfung.xlsx (2673 Downloads)
Wesentlichkeit in der Prüfungsplanung, der Prüfung des IKS und bei Einzelfallprüfungshandlungen
Bei der Erarbeitung der Prüfungsstrategie und des Prüfungsplans hat der Abschlussprüfer für die Aufdeckung der falschen Angaben im Rahmen der Abschlussprüfung eine angemessene Wesentlichkeit für den Abschluss als Ganzes und die Toleranzwesentlichkeit festzulegen.
Der Abschlussprüfer hat bei der Planung der Prüfung zu berücksichtigen, ab welcher Grenze das Ausmaß von falschen Angaben im Abschluss und im Lagebericht wesentlich ist.
Die Einschätzung der Wesentlichkeit und des Prüfungsrisikos zum Zeitpunkt der Auswertung der Ergebnisse der Prüfungshandlungen kann sich gegenüber der ursprünglichen Einschätzung bei der Prüfungsplanung infolge veränderter Umstände oder aufgrund neuer Erkenntnisse des Abschlussprüfers ändern. (revolvierende Änderung der Wesentlichkeiten)
Die Wesentlichkeit ist im Verlauf der Prüfung anzupassen, wenn sich erweist, dass der Abschlussprüfer diese bei Kenntnis der neuen Informationen abweichend festgelegt hätte. Wenn der Abschlussprüfer die Wesentlichkeit nachträglich herabsetzt, ist zu entscheiden, ob die Toleranzwesentlichkeit angepasst werden muss und ob die ursprünglich geplanten Prüfungshandlungen weiterhin angemessen sind.
Auch vor der abschließenden Beurteilung der Auswirkungen der festgestellten nicht korrigierten falschen Angaben ist zu beurteilen, ob die bislang verwendete Wesentlichkeit weiterhin angemessen ist.
Zusammenstellung falscher Angaben
Der Abschlussprüfer muss die während der Prüfung festgestellten falschen Angaben zusammenstellen, soweit diese nicht zweifelsfrei unbeachtlich sind. Unbeachtlich ist ein Sachverhalt, der quantitativ unter die (Nichtaufgriffsgrenze) fällt. Unbeachtliche Sachverhalte haben eine erheblich kleinere Größenordnung als die festgelegte Wesentlichkeit und sind einzeln und in Summe zweifelsfrei ohne praktische Folgen für die Rechnungslegung und Abschlussprüfung, unabhängig davon, nach welchem Kriterium (Größe, Art oder Umstände) sie beurteilt werden.
Wie sieht die Behandlung eines Fehlers in einem Entscheidungsdiagramm aus?
Wie sieht eine Berechnung der Wesentlichkeitsgrenzen in einer kostenlosen Excel-Musterberechnung zum Download aus?
💡 Die Berechnung der Wesentlichkeitsgrenzen ist technisch einfach – unter dem folgenden Link finden Sie ein kostenloses Excel Muster mit einem Beispiel zum herunterladen.
Wer sind Ihre Wirtschaftsprüfer für Abschlussprüfungen bei accura audit?
Herr Jonas aus Trier, Frau Jung aus Berlin-Mitte sowie Herr Maier aus München sind Ihre Wirtschaftsprüfer und Steuerberater für die Durchführung von Jahresabschlussprüfungen und Jahresabschlusserstellungen. Insbesondere im Bereich small & mid-caps liegt ein großer Erfahrungsschatz der Wirtschaftsprüfer.
Sie führen ebenso Financial Due Diligence Untersuchungen Ihres Targets sowie Horizon 2020 audits bundesweit durch.
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Michael Jonas ist geschäftsführender Gesellschafter der accura audit GmbH am Standort ist Frankfurt.
Er bietet insbesondere Leistungen im Bereich Jahresabschlussprüfung und Abschlusserstellung von mittelständischen Unternehmen in jeglichen Rechtsformen an.
Daneben berät und unterstützt er gemeinsam mit einem Expertennetzwerk aus Rechtsanwälten und Einkaufsberatern Beteiligungsgesellschaften, die eine financial und tax due-diligence benötigen.
Gerne steht er für Rückfragen zu dem Beitrag zur Verfügung.